Das 7 x 7 des Lebens

Zu den Arbeiten von Wolfgang van Elst.
Die Zahl 7 besitzt magische Kräfte.
sympolische Macht, so glaubt man.

Zu allen Zeiten und bei allen Völlkern, in Wissenschaft und Religion-nicht nur der abendländischen-wurde ein Abstraktum zur Erkenntnis von Wirklichkeit-der sinnlichen wie auch der übersinnlichen herangezogen. Im bisherigen Werk des Künstlers Wolfgang van Elst - und nicht zuletzt in der hier abgebildeten Arbeit aus allerjüngster Zeit-kehrt diese Zahl fast manisch wieder. Ein striktes Raster aus 7x7 Nieschenfeldern schließt sich zur Einheit, in der die vorgegebene Norm 49 mit der Vielheit entsprechender, individuell gestalteter Köpfe korrespondiert. Ohne Zweifel also wurde hier der unmittelbare Zusammenhang zum Thema gewahrt.
 
Doch trifft dieses in seinem ursprünglichen, ebenbeschriebenen Sinne noch eigentlich zu? Stellt strikter Zahlenbezug mit diesem Blick auf ungenormtes, sich vielfältig wiederholenden und kaum reproduzierbaren Lebens nicht sich selbst in Frage? Und wenn nicht sich selbst, dann vielleicht doch den Menschen, der sich wider seine Natur in die freiwillige Abhängigkeit einer, seiner heutigen “zweiten” Natur begab? “Der eigentliche Basiskonflikt der Moderne ist...die Unterordnung aller menschlichen, qualitativen Wert und Zwecksetzungen, aller sinnlichen Bedürfnisse überhaupt, unter den qualitätslosen Bewegungszweck toter Arbeit.” (R, Kurz: Der Kollaps der Modernisierung, Frankfurt a. M. 1991) Diesen Satz hat kein Künstler geschrieben. Und dennoch trifft er die formalen und geistigen Absichten von Wolfgang van Elst exakt; und er liefert Aufschlüsse über die eben gestellte Frage, die der Künstler mit eigenen Worten ergänzend beantwortet: “Ich versuche den oder die Betrachter/in durch eine scheinbare Unklarheit der Dinge zum Nachdenken anzuregen...Denn Einflüsse, die tagtäglich auf jeden Betrachter speziell einwirken, formen individuell das Bild meiner Arbeit und damit auch die Arbeit selbst...”
 
Das sogenannte Einmaleins des Lebens, die funktionale Wirklichkeit, nach der sich der Mensch bislang richtete und seine Meinungen und Vorstellungen formte, wird auf den Kopf gestell. Nicht der Spiegel selbst sondern der Mensch, der sich in Ihm sieht, formt hier die Welt. Und tun kann er dies nur, nachdem er aus der “Verkehrtheit” seines Abbildes zu sich selbst, d.h. zu seiner “ersten” Natur zurückgefunden hat: Zur sinnlichen Vernunft.
Die Zahl 7 steht bei van Elst dafür stellvertretend. Sie ist der “logische” Ausdruck, die ordnende Zahl der Inneren, nach eigenen Gesetzen funkionierenden Wirklichkeit.
Diese Wirklichkeit ist nicht statisch, nicht genormt.
Sie ist dynamisch, einem ständigen Entstehen und Vergehen unterworfen. Sie gebiert und sie tötet. Sie haßt und sie liebt. Sie genießt und sie leidet.Sie ist ganz Fleisch und dann auch wieder purer Geist. Sie ist individuell. 49 Köpfe sind erschienen, um uns diese Wirklichkeit vor Augen zu führen: Embryonal und Kryptogen. Stadien physischer und psychischer Existenz. In all ihren Schattierungen. Vom Anfang bis zum Ende.
 
Ohne eigentliche Physiognomie. Ohne Individualität Sind solche offensichtlichen Widersprüche verwunderlich? Ganz und gar nicht. Die ständige Bewegung zwischen Wissen und Glaube, zwischen reiner Wissenschaft und Glaubensphilosophie ist es, die die Frage nach Wesen und Ursprung von Welt und unserer Existenz bislang völlig offen ließ. Weder der Materialismus, noch die Metaphysik konnten diese Frage durch ihre jeweilige Beweisführung lösen. Wolfgang van Elst macht diesen Versuch erst gar nicht. Er konstatiert in seinen Arbeiten diesen Widerspruch, indem er ihn schonungslos offenlegt. Seine Lösung ist die der Schärfung und ständigen Korrektur von Bewußtsein, des eigenen wie auch des unseren. Der Gegensatz als perpetuum mobile des Daseins. Das ist die Erkenntnis. Das ist seine Botschaft.

Das 7 x 7 des Lebens

Text: Ludger Busch
Translation: Maria Buchner
1993
wax, toam material, wood.
173 x 173 x 25 cm
     
 
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ohne Titel - Ton ungebrannt
Herr Lemmer
ohne Titel
ohne Titel - Atelier Köpfe
ohne Titel - Köpfe auf der Stange
Sylvia
ohne Titel - drei Köpfe
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2 x 49 Wachsköpfe


Wachs, Schaumstoff, Holz
175 x 175 x 24 cm
1993