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Süddeutsche
Zeitung
Münchner Kultur
Samstag/Sonntag 17./18. Juli 1993
WOLFGANG VAN ELST inmitten seiner 49
Bronzeköpfe. Der Künstler
verleiht sein Werk an Menschen, die
jeweils sieben Tage lang mit den Skulpturen
Leben wollen.
Was
macht man eine Woche lang mit Bronzeköpfen?
Die spannende Aktion des Wolfgang van
Elst
Die 49 Gesichter der Kunst
Auf einmal steht die Kunst vor der Tür.
Eingezwängt in eine klobige Kiste.
wartet sie daruaf, daß der Empfänger
ihr hölzernes Gefängnis packt,
sie in die Wohnung schlappt und endlich
den Deckel öffnet. Danach, so schreiben
es die Regeln vor, wird der Gastgeber
sieben Tage Zeit haben , sich mit ihr
zu beschäftigen. Natürlich
ist klar, daß er mit der ungewöhnlichen
Besucherin Schwierigkeiten haben wird.
Ängstlich wird er den Holzquader
betrachten, zögernd, nicht so recht
wissend, was jetzt dann passiert. WArum
kommt die Kunst auch persönlich
vorbei und hängt nicht - wie es
sich gehört - in Galerien oder
Museen rum?
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Die
Kunst das sind in diesem Fall 49 faustgroße
Bronzeköpfe. Der Bildhauer Wolfgang
van Elst hat sie 1989 als Abschlußarbeit
an der Münchner Kunstakadenie geschaffen
und inzwischen schon in mehreren Ausstellungen
gezeigt. "Diese Instalationen des
Werkes", so der 31 jährige,
"ich wußte nie, welche Bilder
im Kopf des Betrachters entstehen."
Also kam er auf eine ziemlich ungewöhnliche
Idee: Er bietet seine Skulpturen kostenlos
unter dem schönen Titel "Heimarbeit"
- Menschen an, die sich nicht gerade
zum Stammpuplikum der Maximilianstraße-Galerien
zählen. Eine Woche lang sollen
sie sich den Kopf zerbrechen, was sie
mit diesen Schädeln anfangen, wenn
sie in ihrer Wohnung, in ihrer intimsten
Sphäre, zu Gast sind.
Keine leichte Aufgabe, schließlich
sind es nicht anmutige, wohlproportionierte
Skulpturen, die Art-deco-Schmuck beliebige
Regale oder Fensterbretter zieren können:
Auf den ersten Blick erscheinen sie
wie ein HAufen Flußsteine. Erst
mit der Zeit erkennt man die teils nur
vage angedeuteten Gesichter. Manche
sehen aus wie Totenköpfe, andere
wie Mumienschädel oder afrikanische
Masken. Und trotz augenfälliger
Ähnlichkeiten ist kein Kopf wie
der andere. |
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"Wenn
du die Kiste öffnest und reinschaust,
denkst du automatisch an ein Massengrab,
an menschliche Überreste",
sagt Andreas Hamburger, dem die Köpfe
eine ziemlich stressige Woche bescherten:
Als der Psychoanalytiker am ersten Tag
nach Hause kam, war er "ziemlich
schockiert", schließlich
hatte seine Frau Sabine die Bronzeskulpturen
schon im Flur drapiert. "Ich habe
mir nicht groß überlegt,
was ich machen will", erzählt
die Tanztherapeuthin, "ich habe
intuitiv in die Kiste gegriffen und
dann die Köpfe einfach den Gang
entlang so hingestellt, daß sie
sich gegenseitig anschauen, daß
es mich an ein grichisches Theater erinnert."
Andreas Hamburger fühlte sich deshalb
erst einmal übergangen, "
schließlich sollten wir das doch
gemeinsam machen", und außerdem
empfand er die Installation seiner Frau
als "zu brav und zu harmlos".
Also packt er die Holzkiste und schüttete
die 49 Gummiplatten - die zu den Köpfen
gehören - in die Installation seiner
Frau." Da kam dann das notwendige
Moment von Gewalt und Aggression hinzu"
- und mit dem anschließenden Disput
auch ziemlich viel Bewegung in die Ehe.
"Im Endeffekt", so glaubt
der 39jährige, haben diese Köpfe,
die ich als Besatzungsmacht empfand,
uns mit unserer Beziehung konfrontiert."
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